Demonstrationsstrecke in Betrieb gegangen
Foto: Reinhard Mederer
Es ist ein weiter Weg nach Chengdu. Kein Wunder also, dass Max Bögl vor Inbetriebnahme seines neuartigen Nahverkehrssystems im fernen China vor einer logistischen Herausforderung stand. Die Firmengruppe setzte deshalb beim Transport des für die Inbetriebnahme benötigten Prototypenfahrzeugs auf höchste Effizienz. Auf seinem Weg ins Reich der Mitte gingen die wichtigsten Bestandteile des Fahrzeugs auf unterschiedlichen Wegen auf die Reise. Fahrwerk und Wagenkasten kamen getrennt voneinander an ihren Zielort nach Chengdu. Der Wagenkasten gelangte per Schiff zunächst nach Shanghai und wurde von dort per LKW weitertransportiert. Einen ganz anderen Weg über 7.500 km nahm das Fahrwerk des TSB. Zuerst ging es vom Hauptsitz Sengenthal mit dem LKW zum Frankfurter Flughafen und von dort mit dem Transportflugzeug über Moskau ins geografische Zentrum der Volksrepublik. Die Zusammenführung von Fahrwerk und Wagenkasten fand Mitte September direkt an der Demonstrationsstrecke statt. Für den Zusammenbau und spätere Inspektionen wurde eigens eine Plattform errichtet, da die Instandhaltungshalle aktuell noch errichtet wird.
Kurze Bauzeit durch ausgeklügelte Logistik
Foto: Firmengruppe Max Bögl
Bevor der regelmäßige Demonstrationsfahrbetrieb starten kann, muss auch der Fahrweg der insgesamt 3,5 km langen Demonstrationsstrecke vollendet werden. Die Stützen für den aufgeständerten Fahrweg produziert vor Ort in Chengdu das chinesische Partnerunternehmen Xinzhu. Am heimischen Hauptsitz der Firmengruppe in Sengenthal werden die Fahrwegsegmente seriell und effizient industriell gefertigt, mit Anbauteilen ausgestattet und anschließend mit sämtlichem Zubehör per Zug nach Chengdu transportiert. Das ermöglicht eine schnellere Montage vor Ort und sichert eine deutlich verkürzte Bauzeit. Xinzhu fügt die Segmente zu Trägern zusammen und setzt diese auf die Stützen, unterstützt von Max Bögl-Mitarbeitern.
Inbetriebnahmefahrt mit Prototyp
Foto: Firmengruppe Max Bögl / Yang Xu
Mit der Inbetriebnahme eines bereits fertigen, rund 400 m langen Teilstücks wurde ein weiterer Meilenstein in Chengdu gesetzt. Bei den ersten Testfahrten Ende September erreichte Max Bögl mit dem TSB eine Geschwindigkeit von rund 60 km/h und konnte somit erfolgreich die technischen Möglichkeiten des neuartigen Nahverkehrssystems demonstrieren. Zum Einsatz kam bei dieser Fahrt das Prototypfahrzeug, das in Sengenthal bereits 125.000 Shuttle-Fahrten absolviert und dabei eine Laufleistung von mehr als 83.000 km erreicht hat. Ist die Gesamtstrecke fertiggestellt, was voraussichtlich Anfang 2020 der Fall sein wird, soll auf den 3,5 km eine Geschwindigkeit von über 150 km/h demonstriert werden. Im Anschluss finden dann mit dem ersten aus drei Sektionen bestehenden Fahrzeug die endgültigen Abnahmefahrten statt. Die Teststrecke verläuft sowohl auf dem Werksgelände von Xinzhu als auch für jedermann frei einsehbar im öffentlichen Bereich. Der minimale Kurvenradius der Demonstrationsstrecke beträgt 60 m und die maximale Steigung erreicht zehn Prozent, um die Leistungsfähigkeit des Systems auch praktisch zu zeigen. Die Station, eine Wartungshalle und eine Weiche sind auf dem Werksgelände von Xinzhu untergebracht und daher nicht öffentlich zugänglich. Das chinesische Partnerunternehmen wird dort künftig ausgewählten Besuchergruppen das Projekt vorstellen.
Vorteile gegenüber konventioneller Technik
Der Fahrwegträger des TSB ist mit 1,2 m Höhe und 23,5 m Länge sehr schmal und leicht. Dank der Magnetschwebetechnologie verteilt sich das Gewicht des Fahrzeugs gleichmäßig auf den Fahrweg. Großen, fest verankerten Brücken, wie sie von Rad-Schiene-Systemen bekannt sind, bedarf es nicht, obwohl in China zum Vergleich auch diese klassische Bauweise integriert wurde. Gegenüber herkömmlichen Systemen vermeidet das TSB die hohen Lasten am Kontaktpunkt Rad-Schiene, die Hauptursache für Vibrationen und Lärm sind. Stattdessen leitet es die Lasten berührungslos gleichmäßig verteilt in den Fahrweg. Dadurch ist das TSB sehr leise und kommt mit deutlich kleineren Unterkonstruktionen für den Fahrweg aus. Das spart nicht nur Rohstoffe und Kosten, sondern bietet auch ästhetische Vorteile. Im Fahrwerk verbaute Magnete erzeugen Magnetfelder, die das Fahrzeug in einen konstanten Schwebezustand bringen. Um dies zu erreichen, umgreift der aus Stahlbeton bestehende Fahrweg das Fahrwerk. Damit das Fahrzeug konstant und berührungslos in der Schiene schwebt, werden die Magnete bis zu 2.000 Mal in der Sekunde angesteuert. Für die Fortbewegung ist ein Linearmotor im Fahrwerk verbaut, der das Transport System Bögl bis auf 150 km/h beschleunigt.
Verkehrssystem der Zukunft
Animation: Firmengruppe Max Bögl
Die Demonstrationsstrecke in Chengdu verdeutlicht die vielen Möglichkeiten des neuartigen TSB für den öffentlichen Personennahverkehr. Das Transport System Bögl lässt sich dank der variablen Streckentrassierung mit Teilsegmenten völlig flexibel in neue und bestehende Infrastruktursysteme integrieren. Durch den modularen Fahrweg kann das durchdachte Transportsystem zudem schnell und einfach in urbanen Regionen eingesetzt werden. Dank der fehlertoleranten Auslegung fährt das TSB zuverlässig bei allen Witterungsbedingungen und ist durch die Verwendung bahnerprobter Komponenten leicht zu warten. Als Bauunternehmen mit langjähriger Erfahrung verfügt die Firmengruppe Max Bögl über das Know-how, große Infrastrukturprojekte – wie die Magnetschwebetechnologie – in urbanen Regionen umzusetzen. Dadurch lassen sich Projekte schnell, ressourcenschonend und wirtschaftlich realisieren.